Saturday, May 27, 2006

Goldwind und Jadetau...

Es geschah vor zehntausendmal zehntausend Jahren, als die Sterne am Himmel noch sprechen konnten und Verbindung zur Erde hatten. Sie konnten sprechen und singen, lachen und weinen, kannten Glück und Trauer - wie die Menschen auf Erden.
Vielleicht gilt das auch heute noch, nur wissen wir es nicht, weil wir sie nicht mehr hören.
Weil wir sie aber sehen, haben wir ihnen Namen gegeben, um sie zu unterscheiden.
Ob der "Silberfluss" auch in ihrer Sprache so heißt, werden wir nie erfahren, eine Geschichte aber ist wahr, und die haben die Spatzengötter den Menschen auf Erden erzählt: die Geschichte von dem Hirtenjungen und dem Webermädchen;

"Goldwind" und "Jadetau" sind ihre Himmelssternnamen.
Goldwind hütete seine Ziegenherde auf den Matten des Tai-Berges, als eine jadeschöne himmlische Prinzessin herabschwebte, um auf seiner Weide Wiesenblumen zu pflücken. Goldwind half ihr, und so wurden sie miteinander bekannt, sangen und tanzten, und Jadetau erzählte Goldwind von den Sternen und Feen, von Genien und Göttern im Himmel; und er lehrte sie die Sitten und Bräuche der Menschen auf Erden. Wenn Goldwind mit seiner Herde weiterzog, schwebte Jadetau auch zu den nächsten Weidegründen hinab, um bei ihm zu sein, den zarten Klängen seiner Flöte zu lauschen und von ihm immer neue erregende, wundersame Geschichten der Erdenmenschen zu hören. Jadetau wäre allzugerne auf der Erde geblieben, aber das war nicht erlaubt.Immer, wenn die Sonne sich neigte, musste sie geschwind in den Himmel zurück, damit ihr Fehlen nicht bemerkt würde. Goldwind wäre allzugern mit ihr gezogen, aber er durfte seine Herde nicht verlassen und musste auf Erden bleiben, solange er Mensch war.

So vergingen Licht und Schatten.

Dem königlichen Vater der Prinzessin war von deren Ausflügen zur Erde berichtet worden, und bald wurde ihm zur Gewissheit, was er voller Sorge und Angst beobachtet hatte. Er liebte Jadetau sehr, und sein Herbstherz wurde schwer und traurig. Eine Verbindung zwischen Jadetau und Goldwind durfte es nie geben, und so befahl er der Prinzessin, die Himmelswege nicht mehr zu verlassen, und seinen Dienern, Jadetau bei Tag und Nacht zu beobachten.

So vergingen Licht und Dunkelheit.

Goldwind und Jadetau glaubten mit aller Macht ihrer Herzen an ihre Bestimmung und ergaben sich demütig ihrem Schicksal. Ihre Liebe aber wuchs von Tag zu Tag und wurde zu einer wundersamen Kraft: Goldwind verwandelte sich in einen Stern und stieg - einem Adler gleich - zum Himmel auf, um dort in den endlosen Weiten seine Lyra zu suchen. Als er dem himmlischen Königspalat schon sehr nahe war, meldeten die Wächter Goldwinds Erscheinen im Sternenheer, und der König wurde sehr traurig. Einer Verbindung seiner einzigen geliebten Tochter mit Goldwind konnte er nicht zustimmen, ohne sie zu verlieren. Er glaubte nicht an Goldwinds Verwandlung und fürchtete, beide würden den Himmel verlassen und zur Erde ziehen und Jadetau wäre dem Himmel für immer verloren. So sann er auf einen Ausweg, Tag und Nacht, bis er endlich die Lösung gefunden hatte: Er warf zehntausend Sterne zwischen die Liebenden . so entstand der "Silberfluss" , den die Menschen Milchstrasse nennen und heute noch am Himmel erkennen, wenn die Sterne am Himmel blinzeln.

Jadetau sah den Silberfluss und die Sternenwächter des Königs und erkannte sogleich, dass es keinen Weg mehr zu Goldwind gäbe. Ihre Augentruhe füllte sich mit Tränen, sie weinte Tage und Nächte ohne Unterlass. Nach langer Zeit zeigte der König endlich erbarmen und gestattete Goldwind und Jadetau den Silberfluss einmal im Jahr zu überqueren um beieinander zu sein. Aber der lange Weg über die zehntausend Sterne war beschwerlich, und den Liebenden blieben nur wenige gemeinsame Stunden. Dass der Silberfluss in dunkler Nacht auf heimlichen Pfad nicht endlos würde, dafür sorgten die gütigen und Mitfühlenden Spatzengötter, und sie flogen eine Brücke, den Liebenden den Weg zu verkürzen.

Die Spatzengötter

Wolkenschleier malen Himmelsbilder.
Wie Sternschnuppen am Firmament
versiegt Pfeilschnell das Herzeleid.

Endlos scheint der Silberfluss
in dunkler Nacht auf heimlichem Pfad.

Wie goldener Wind und Jadetau,
so kostbar ist das Einmal-sich-Begegnen.
Nichts irdisches ist dieser Freude gleich.

Sanfte Liebe, zart und klar wie Wasser,
ein Festtag, wie im Traum ersehnt.

Wie könnte nur das Auge duldend
hin zum Brückenbogen seh´n,
von Spatzengöttern mitleidvoll geschaffen.

Wenn beider Liebe ewig hält,
wird der Verzicht auf´s Beieinandersein Erfüllung.

Tschin Guan (1049-1100)

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