Harun und das Meer der Geschichten, Salman Rushdie
Einer meiner "Lieblingsautoren" ist Ahmed Salman Rushdie. Er "zaubert" mir gerne mal ein "Lächeln" in mein Gesicht oder auch schon mal ein "Knapp an den Tränen vorbei" :-)) , seine Bücher haben für mich was "lebendiges" und ich fühl mich gerne mal ein wenig oder mehr;-) "verstanden", dieses "Aha- kommt-mir-bekannt-vor-feeling" . Geboren wurde er am 19.06.1947 in Bombay, Indien . Er wuchs in einer einigermaßen "wohlhabenden", muslimischen Familie in Indien und teilweise in England auf. Anschließend studierte er in Cambridge Geschichte, wo er 1968 mit dem akademischen Grad "Magister Artium" abschloss. Nachdem er als Werbetexter in London arbeitete, veröffentlichte er 1975 seiner ersten Roman "Grimus". 1981 erschien sein überaus bekanntes Werk „Mitternachtskinder“.
Kurz nach der Veröffentlichung im Jahre 1988 des Romans „Die satanistischen Verse“, sprach der damalige iranische Revolutionsführer Ayatholla Khomeini wegen "Blasphemie" eine sogenannte "Fatwa" über Rushdie aus....
Kurz nach der Veröffentlichung im Jahre 1988 des Romans „Die satanistischen Verse“, sprach der damalige iranische Revolutionsführer Ayatholla Khomeini wegen "Blasphemie" eine sogenannte "Fatwa" über Rushdie aus....
"Harun behielt seine Meinung über Mr. Abergutt für sich.
Denn schließlich wusster er, was er wusste:
Dass nämlich, wenn in der wirklichen Welt Wunder geschehen,
auch Wunderwelten Wirklichkeit werden konnten."
Mitten in der Traurigen Stadt, hinter einer Reihe von Ruinen, die wie gebrochene Herzen aussahen, wohnte ein fröhlicher kleiner Junge namens Harun, das einzige Kind des Geschichtenerzählers Raschid Khalifa, dessen Heiterkeit überall in dieser unglücklichen Metropole berühmt war und dessen niemals versiegender Strom, langer, kurzer und verschlungener Erzählungen ihm nicht einen, sondern gleich zwei Spitzennamen eingetragen hatte. Für seine Bewunderer war Raschid das Genie der Phantasie, so reich an unterhaltsamen Geschichten wie das Meer an Wehmutfischen; seine eifersüchtigen Rivalen dagegen nannten ihn den Schah von Bla.
"The story beginns" :-)
Es war einmal im Lande Alifbay eine traurige Stadt, die traurigste von allen Städten, so todtraurig, daß sie sogar ihren Namen vergessen hatte. Sie stand an einem freudlosen Meer voller Wehmutfische, die so elend schmeckten, daß die Menschen nach ihrem Genuß vor lauter Trübsinn Magenschmerzen bekamen, auch wenn der Himmel strahlend blau war.
Im Norden der Traurigen Stadt standen mächtige Fabriken, in denen die Traurigkeit (wie man mir sagte) produziert, verpackt und in alle Welt verschickt wurde, wo man niemals genug davon zu bekommen schien. Aus den Schornsteinen dieser mächtigen Fabriken quoll dicker schwarzer Rauch und lastete schwer wie eine Trauerbotschaft auf der Stadt.
Mitten in der Traurigen Stadt, hinter einer Reihe von Ruinen, die wie gebrochene Herzen aussahen, wohnte ein fröhlicher kleiner Junge namens Harun, das einzige Kind des Geschichtenerzählers Raschid Khalifa, dessen Heiterkeit überall in dieser unglücklichen Metropole berühmt war und dessen niemals versiegender Strom langer, kurzer und verschlungener Erzählungen ihm nicht einen, sondern gleich zwei Spitznamen eingetragen hatte. Für seine Bewunderer war Raschid das Genie der Phantasie, so reich an heiteren und unterhaltsamen Geschichten wie das Meer an Wehmitfischen; seine eifersüchtigen Rivalen dagegen nannten ihn den Schah von Bla. Seiner Frau Soraya war Raschied viele Jahre lang ein so liebevoller Ehemann, wie man ihn sich nur wünschen kann, und Harun wuchs während dieser Jahre in einem Zuhause auf, dass statt von Strafen und drohenden Mienen von edem unbeschwerten Lachen des Vater und der süßen Stimme der Mutter erfüllt war, die glücklich ihre Lieder sang.
Dann ging irgend etwas schief. (Vielleicht hatte sich die Traurigkeit der Stadt schließlich doch noch zu den Fenstern hereingestohlen.)
An diesem Tag hörte Soraya auf zu singen - mitten in der Strophe, als hätte jemand einen Schalthebel umgelegt -, und Harun vermutete, daß ihnen etwas Schlimmes bevorstand. Doch niemals hätte er geahnt, wie schlimm.
Da Raschid Khalifa so sehr damit beschäftigt war, Geschichten zu erfinden und zu erzählen, fiel ihm nicht auf, daß Sorayas Gesang verstummt war; und das machte vermutlich alles noch schlimmer. Doch schließlich war Raschid ständig unterwegs, ein Mann, der überall gefragt war, das Genie der Phantasie, der berühmte Schah von Bla. Und bei all den vielen Proben und Auftritten stand Raschid so oft auf der Bühne, daß er die Dinge, die in seinem Haus vorgingen, irgendwie aus den Augen verlor. Geschäftig eilte er in Stadt und Land umher, um seine Geschichten zu erzählen, während Soraya zu Hause blieb, allmählich immer finsterer dreinblickte und sogar wie Donner grollte, bis sich das Ganze schließlich in einem heftigen Gewitter entlud.
Harun begleitete den Vater, wann immer es möglich war, denn dieser Mann war ein Magier, soviel stand fest. In engen Sackgassen, in denen zerlumpte Kinder und zahnlose Greise dicht gedrängt auf dem staubigen Boden kauerten, stieg er auf eine kleine, improvisierte Bühne; und wenn er mit dem Erzählen begann, blieben sogar die vielen umherstreunenden Kühe der Stadt stehen und spitzten die Ohren, während die Affen auf den Hausdächern anerkennend schnatterten und die Papageien in den Bäumen seine Stimme nachahmten.
Zuweilen sah Harun in seinem Vater so etwas wie einen Jongleur, denn im Grunde bestanden Raschids Erzählungen aus vielen verschiedenen Geschichten, mit denen er kunstfertig jonglierte und die er geschickt in schwindelnd schnellem Wirbel tanzen ließ, ohne je einen Fehler zu machen.
Zuweilen sah Harun in seinem Vater so etwas wie einen Jongleur, denn im Grunde bestanden Raschids Erzählungen aus vielen verschiedenen Geschichten, mit denen er kunstfertig jonglierte und die er geschickt in schwindelnd schnellem Wirbel tanzen ließ, ohne je einen Fehler zu machen.
Woher kamen bloß all diese Erzählungen? Es schien, als brauche Raschid nur die Lippen zu einem breiten, roten Lächeln zu öffnen, und schon kamen nagelneue Märchen heraus, Märchen mit Hexen, Liebesgeschichten, Prinzessinnen, bösen Onkels, dicken Tanten, schnauzbärtigen Gangstern in gelbkarierten Hosen, phantastischen Szenerien, Feiglingen, Helden, Kämpfen und einem halben Dutzend melodischer Ohrwürmer. "Alles kommt irgendwoher", folgerte Harun, "also können auch diese Geschichten nicht aus der leeren Luft kommen - oder?"
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